Unlängst hatte ich in einem kurzen Video-Clip ein Buch vorgestellt, das mir in der Bibliothek in die Hände gefallen war. "Börsenstars und ihre Erfolgsrezepte", geschrieben von dem Wirtschaftsjournalisten Ulrich W. Hanke. Auf 270 Seiten gibt es einen Überblick über die Kernpunkte der Strategien von 15 bekannten Investoren. Darunter sind klangvolle Namen wie Warren Buffett und Benjamin Graham, Joel Greenblatt, Ken Fisher und William O'Neil. Aber auch weniger bekannte Geldanleger und drei deutsche Namen kann man sich zu Gemüte ziehen.
Als ich das Buch ausgelesen hatte, blieb eine diffuse Unzufriedenheit. Irgendwie fehlte mir in dem Buch, bei allen guten Ansätzen des Autors, die praktische Umsetzbarkeit. Auf einer langen Zugfahrt und nach einigen weiteren Videos verstand ich, woran das lag. In dem gesamten Buch, bei jeder einzelnen Strategie, fehlt ein Element komplett: die Positionsgrößen.
Investoren und Trader scheitern ja häufig nicht daran, dass sie in fallenden Märkten long und in steigenden Märkten short sind. Das passiert, man kann nicht jedes Spiel und jede Wette gewinnen.
Die Ursache für die Trader-Mortalität liegt vielmehr in den zu großen Positionen. Wenn schon eine Wette platziert wird, dann aber richtig. Mit zehn Aktien von Coca-Cola kann ich schließlich nicht reich werden.
Neben vielen anderen Faktoren (Analysemethodik, Prozessorientierung, Aufzeichnungen, psychologische Stabilität usw.) spielt das Risiko- und Money-Management die entscheidende Rolle für den Anlageerfolg.
Risikomanagement heißt: Wie viel Geld riskiere ich pro Position? Wenn ich 1.000 Dollar in Coca-Cola investiere - wann gestehe ich mir ein, dass das Investment ein Fehlschlag war? Will ich das am Aktienkurs festmachen? Oder daran, dass die Dividende nicht erhöht oder sogar gekürzt wird? Betrachte ich die Gewinnentwicklung des Unternehmens oder andere fundamentale Daten und lasse den Aktienkurs gänzlich außen vor? Soll mir mein Einstiegskurs als Anhaltspunkt dienen oder ein prozentualer Preisabschlag vom letzten Hoch? Diese Fragen muss man sich rational beantworten, bevor man ein Investment tätigt. Damit man an dem rationalen Entscheidungsprozess später auch tatsächlich festhält, muss die Position klein sein. So klein, dass man sich nicht von Emotionen übermannen lässt, wenn es heißt, ein Fehlinvestment zu beenden oder einen Verlusttrade zu schließen. Ein Verlust darf keinen Schmerz verursachen. Das ist das Prinzip von Lotto-Unternehmen.
Moneymanagement heißt: Wie viele Positionen will ich insgesamt in meinem Konto haben? Wie viele kann ich verwalten, was fühlt sich gut an und wo beginnt der Stress, wann wird es zu unübersichtlich? Wie viel Cash will ich in meinem Konto permanent vorrätig haben? Was tue ich mit einlaufenden Dividenden? Werden neue Positionen eröffnet oder vergrößere ich bestehende Positionen? Auch diese Fragen sollte man sich beantworten, bevor man anfängt, ein Depot aufzubauen. Sonst ist man später nur am Reparieren und Ausbalancieren.
Bewährt hat es sich für mich, die einzelnen Positionen sehr klein zu halten. Ein 90%iger Verlust (schon erlebt) tut nicht so sehr weh, wenn die gesamte Position nur ein Prozent des Kapitals ausmacht. Dann habe ich nämlich nur 0,9% meines Geldes versenkt. Anders sieht die Sache aus, wenn eine solche Position 10% meines Kontos ausmacht. Dann wären schon 9% verloren. Ich muss also zehn Prozent verdienen, um einen solchen Verlust wieder zu kompensieren.
Ich setze auch lieber auf eine große Anzahl von Positionen. Denn es gibt viele erstklassige Unternehmen, nur sind niemals alle zum gleichen Zeitpunkt kaufenswert, sprich billig. Also wird sich nach und nach das Depot füllen. Es scheiden immer wieder Unternehmen aus, die Spreu trennt sich vom Weizen. Für drei neue Aktien fallen zwei alte aus dem Depot.
Noch eine Erfahrung: Es ist nicht schwierig, 30 und mehr Positionen zu verwalten. Um die "guten Positionen" muss man sich nämlich nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr kümmern. Die kümmern sich um sich selbst. Die Dividenden fließen, die Gewinne sprudeln, der Aktienkurs folgt dem Unternehmenswert und steigt. Gelegentlich gibt's einen Rücksetzer beim Aktienkurs, dann wird nachgekauft, wenn die fundamentalen Rahmendaten stimmen.
Kümmern muss ich mich eigentlich nur um die Sorgenkinder - und das sind selten mehr als zehn Unternehmen.
Es gilt eben auch an der Börse: "Size matters" - Größe macht einen Unterschied. Wer schon mal mit Hebel 400 Währungen oder Index-CFDs gehandelt hat, kann davon ein Lied singen. Und meist ist das keine Freudenmelodie, eher ein Totentanz.
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