Gelegentlich gibt es Schlagzeilen, die bringen mich auf die Palme. Beispielsweise gingen dieser Tage einige Meldungen durch die Medien:
Interessant sind die Grundlagen der Steuerschätzung. Weil die Wirtschaft in den vergangenen Jahren kräftig wuchs, rechnet die Bundesregierung für 2017 mit 1,5% und für 2018 mit 1,6% Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts. Nominal soll das Bruttoinlandsprodukt um 3,0% im Jahr 2017, 3,1% im Jahr 2018 und je 3,2% für 2019 bis 2021 steigen. Woher der Unterschied zwischen Brutto und Netto? Das dürfte die Inflation sein, die also mit rund 1,5% veranschlagt wird. Die Bruttolöhne und -gehälter der Steuerzahler sollten 2017 um 3,9% steigen, in den Jahren 2018 bis 2021 um jeweils 3,4%. Das Wort Wirtschaftskrise kommt offensichtlich im Vokabular des "Arbeitskreises Steuerschätzung" nicht vor. Ob hier eventuell zu blauäugig kalkuliert wurde?
Doch damit nicht genug: Nicht nur das Steueraufkommen wird stärker steigen, als die Löhne. Durch die jährliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den gesetzlichen Zwangsversicherungen (Arbeitslosen-, Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung) wird die Belastung für Arbeitnehmer durch diese automatisch abgeführten Beiträge ebenfalls stark steigen.
Andererseits werden Steuerfreibeträge sehr langsam und dann auch nur marginal angehoben. Die Folge: 2,69 Millionen Deutsche zahlen mittlerweile den Spitzensteuersatz von 42% Einkommensteuer.
Wer nun denkt, der Spitzensteuersatz betreffe nur Spitzenverdiener, der liegt weit daneben. Schon ab einem Bruttogehalt von 54.058 Euro, also knapp 4.505 Euro brutto monatlich, gehört man in die Kategorie der Spitzenverdiener. Wie realitätsfern der Spitzensteuersatz ist, zeigt eine zweiminütige Recherche im Internet. Auf dem Portal www.Offentlichen-Dienst.de lässt sich nachlesen, dass das Durchschnittsgehalt eines deutschen Lehrers bei 55.252 Euro liegt. Die etwa 2,69 Mio "Spitzenverdiener" machen 6,4 % aller Steuerpflichtigen aus - Grundlage sind immer Schätzungen des Bundesfinanzministers. Ihre Zahl hat sich seit 2004 übrigens von damals 1,2 Millionen mehr als verdoppelt. Allgemein bekannt ist, dass zehn Prozent der Einkommensteuerzahler (insgesamt etwas über 42 Millionen Menschen in diesem Land) für 90% des Einkommensteueraufkommens arbeiten gehen. Ist das gerecht? Darüber mag man streiten, nicht streiten kann man über den Fakt.
Die Gier der Staatsbeamten erreicht übrigens demnächst eine neue Dimension, die Millionen von Deutschen betreffen wird - und zwar unabhängig vom Einkommen. Am 12. Mai 2017 berät der Bundesrat über das "Sechste Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes". Das Konstrukt mit dem sperrigen Namen taugt nicht für Schlagzeilen in der Wahlkampfphase - aus gutem Grund. Darin wird nämlich festgeschrieben, dass für neu zugelassene Fahrzeuge ab dem 1. September 2018 die Kraftfahrzeugsteuer kräftig steigen wird.
Grund ist ein neues Prüfverfahren für Abgaswerte, das WLTP-Verfahren (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure"). Dieses löst das wenig realitätsnahe derzeitige Abgastestverfahren NEFZ ab. Was ist zu erwarten? "Gegenüber dem NEFZ werden nach dem WLTP überwiegend höhere Emissionswerte erwartet." Originaltext aus der Pressemitteilung des Finanzministers vom 11. Mai 2017. Und weiter lesen wir Folgendes zu den Auswirkungen:
Gäbe es emissionsfreie Autos, könnte man die Steuererhöhung umgehen. Nur leider sind die deutschen Autobauer (Weltspitze!!!) nicht in der Lage, wettbewerbsfähige emissionsfreie Autos vor 2019 zu bauen. Das kann nur die Deutsche Post, die amerikanische Firma TESLA oder das chinesische Unternehmen BYD. Bei den Chinesen arbeitet übrigens die komplette ehemalige BMW-Entwicklungsabteilung für E-Mobilität.
Freuen wir uns also auf noch höhere Abgaben nach der Bundestagswahl. Denn darin sind sich alle Parteien einig: Aus den deutschen Steuerzahlern ist noch viel mehr rauszuholen.
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Manolo (Montag, 15 Mai 2017 15:50)
Für mich als Arzt, der selbstständig und angestellt ist - sieht die Situation besonders spannend aus:
ca. 60.000 Euro brutto/ Jahr - faktisch Spitzensteuersatz
dadurch ergeben sich Zwangsbeiträge für:
Sozialversicherung + Pensionsversicherung für die allgemeine Gebietskrankenkasse
Pensionsversicherung für die Selbstständigen Kasse
Zwangspensionsversicherung über die Ärztekammer
Zwangsbeitrag Ärztekammer
Zwangsbeitrag Wohnbauförderung
Zwangsbeitrag 2x Unfallversicherung
Einkommenssteuer - bzw. Steuer auf die unselbsständige Arbeit
Ganz ehrlich - wenn ich nur im Spital arbeite und 50.000/Jahr verdiene - steige ich netto besser aus, als wenn ich nebenbei 40h/Woche selbstständig dazuverdiene
unglaublich aber wahr.
Manolo (Montag, 15 Mai 2017 15:52)
und übrigens wenn ich mich arbeitslos melde bekomme ich netto 18.000 Euro im Jahr
also gar nicht viel weniger.
Nils Gajowiy (Montag, 15 Mai 2017 17:16)
Manolo, danke für Dein Feedback. Insbesondere Dein Nachsatz wird ja immer mehr zur Allgemeinerkenntnis. Ehrliche Arbeit lohnt sich nicht mehr. Gruß Nils