"Performance" heißt der Maßstab für Erfolg an der Börse. Gemessen wird Erfolg häufig daran, ob der Kontostand eines Marktteilnehmers sich besser oder schlechter entwickelt als der einer selbst gewählten Messlatte, genannt Benchmark. Meist sind es Aktienindizes, etwa der DAX, der Dow Jones oder der MSCI World-Index. Fondsmanager bekommen ihren Bonus häufig nach Outperformance bezahlt.
Doch mal ehrlich: Interessiert irgend jemanden, ob ich den Index schlage? Geht es nicht viel mehr darum, dass ich meine persönlichen Investmentziele erreiche? Und: Kann man überhaupt dauerhaft einen Index schlagen oder besser performen als der Markt?
Statistisch ist es für die Mehrzahl der Menschen schlicht unmöglich. Wie im Lotto: Jeder kann den Jackpot knacken, wenn er einen Lottoschein kauft. Aber nicht alle. Jeder kann der bestbezahlte Fußballer oder Formel 1-Pilot der Welt werden. Aber nicht alle. Jeder kann die 100 Meter unter neun Sekunden laufen. Aber nicht alle. Jeder kann eine Firma wie Facebook gründen und damit Milliardär werden. Aber nicht alle. Jeder kann den Index schlagen - aber nicht alle. Denn der Aktienmarkt ist ein reflexives System. Wer auch immer ein Wertpapier verkauft oder kauft, wird damit zum Bestandteil des Marktes und initiiert eine Rückkopplung. Das ist es, was George Soros in seiner Idee der Reflexivität zusammengefasst hat.
Heißt das nun, man sollte den Märkten generell fernbleiben? Mitnichten. Denn jeder kann hinreichend gute Ergebnisse erzielen. Was hinreichend ist? Das muss jeder selbst bestimmen. Für mich sind es beispielsweise jährlich kräftig wachsende Dividendeneinnahmen. Kursgezappel interessiert nicht, das kann ohnehin niemand kontrollieren. Ob mein Kontostand schneller steigt als der Dax? Wen interessiert das? Mich jedenfalls nicht.
Was für die meisten Menschen ein gangbarer Weg zu finanzieller Freiheit ist, hat der Altmeister des erfolgreichen Investierens, Warren Buffett, gerade wieder einmal bewiesen.
In seinem Brief an die Aktionäre im Jahr 2005 rief das Orakel aus Omaha dazu auf, mit ihm in den Ring zu steigen. Er wette 500.000 Dollar darauf, dass ein passiver Investor, der einfach nur einen Aktienindex kauft, auf Sicht von zehn Jahren besser abschneiden würde, als ein Hedgefonds-Manager. Es hat Monate gedauert, bis sich jemand fand, der gegen Warren Buffett antreten wollte, aber schließlich meldete sich ein Fondsmanager namens Ted Seides, der die Wette annahm. Beide erhöhten den Wetteinsatz auf eine Million Dollar. Nachzulesen ist deren Inhalt seit zehn Jahren auf einer Webseite, auf der man auch eigene langfristige Wetten platzieren kann - Longbets.org.
Am 1. Januar 2008 startete die Wette, sie dauert bis zum 31. Dezember 2017, endet also pro forma Ende nächsten Monats. Warren Buffett investierte in einen einfachen Index-Fonds, den Vanguard 500 Index Fund Admiral mit dem Börsenticker VFIAX.
Für Ted Seides gab es mehr Möglichkeiten: Er durfte sich fünf Hedge-Fonds aussuchen, von deren Performance er überzeugt war. Um das Risiko weiter zu minimieren, durften das "Funds-of-the-Funds" sein, also Dachfonds, die wiederum mehrere Hedgefonds beinhalteten. Insgesamt flossen also die Ergebnisse von über 100 Fonds ein, um die Performance eines einzelnen Fonds nicht zum Zünglein an der Waage werden zu lassen. Welche Fonds das waren, wird geheimgehalten, jedoch hat Warren Buffett die von Wirtschaftsprüfern testierten Jahresabschlüsse regelmäßig überprüft.
Der Chart zeigt die Berg-und-Tal-Fahrt des Buffett-Fonds. Vergessen wir nicht: Die Wette startete am 1. Januar 2008, also direkt vor dem Ausbruch der größten Finanzkrise der Neuzeit. Für Hedgefonds sind Bärenmärkte ein Paradies, denn sie tendieren dazu, in diesen Phasen besser zu performen als Indizes. Warren Buffetts Indexfonds rauschte denn auch um 53% in die Tiefe, gerechnet vom Einstiegskurs am 1. Januar 2008. Autsch.
Ted Seides lag am Ende des Jahres 2008 deutlich vorn - er hatte nur 23,9% verloren, Warren Buffett hingegen 37,0%. Auf der Jahreshauptversammlung von Berkshire Hathaway im Mai 2016 hat Warren Buffett die jährlichen Zwischenstände vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt lag der Indexfonds bereits mehr als 40% in Front.
Am 3. Mai 2017 veröffentlichte Ted Seides auf Bloomberg einen Artikel, indem er öffentlich eingestand: "Die Wette ist vorbei. Ich habe verloren."
Wie konnte sich Warren Buffett so sicher sein, diese Wette zu gewinnen? Es sind die Kosten, die an der Performance nagen. Fondsmanager bekommen für gewöhnlich zwei Prozent der so genannten "Assets under Management", also des verwalteten Fondsvermögens, als "Grundvergütung". Darüber hinaus gibt es eine "Performance Fee", eine performanceabhängige Vergütung, die in der Regel 20% des Gewinns ausmacht. Dieses 2/20-Schema führt dazu, dass die Hedgefonds-Manager an der Wall Street deutlich besser verdienen als ihre Kunden. Über die Jahre hinweg summieren sich die Prozente, denn auch hier gilt der Zinseszins. Buffett schätzt, dass etwa 60% aller erwirtschafteten Gewinne in die Taschen der Fondsmanager geflossen sind. Und so schneidet der Passiv-Investor eben annähernd so gut ab wie der Markt, während die hyperaktiven Trader und Investoren im Durchschnitt hinter dem Markt zurückbleiben. Buffett hat das im Februar 2017 in seinem jährlichen Brief an die Aktionäre ein weiteres Mal mit Zahlen belegt. Nachzulesen ab Seite 20.
Bis Februar 2017 hatten die mehr als 100 Hedgefonds-Manager eine durchschnittliche jährliche Performance von 2,2 Prozent erzielt, der Index-Fonds 7,1% jährlich. Dank des Zinseszinses ergibt sich folgendes Bild: Hätte man Anfang 2008 jeder der beiden Wettparteien eine Million Dollar anvertraut, wären bei den Hedgefonds-Managern bis Ende 2016 etwa 220.000 hinzugekommen, beim Index-Fonds 854.000 Dollar.
Was lernen wir daraus? Es ist bekannt, das Fondsmanager es in der Regel nicht schaffen können, nach Abzug der Gebühren für ihre Investoren eine bessere Performance zu erzielen als der Markt. Es sind auch keine Fälle bekannt, wo Fondsmanager den Investoren im Verlustfall vorher gezahlte Leistungsboni zurückgezahlt hätten. Vielmehr ist es so, dass kurzfristige Outperformer von Investoren derart mit Geld zugeschüttet werden, dass es schwer fällt, die Outperformance dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Warren Buffett bestreitet nicht, dass es einzelne qualifizierte Investoren gibt, die auch über einen langen Zeitraum die Marktindizes schlagen. Er habe in seinem Leben etwa zehn dieser Persönlichkeiten kennengelernt, und es mag Hunderte oder Tausende davon geben, schrieb er im Februar 2017 in seinem Brief an die Aktionäre. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering, dass institutionelle Fondsmanager das könnten.
Der Privatier, der sich realistisch einschätzt, ist gut beraten, einfach regelmäßig einen einfachen Indexfonds mit niedrigen Gebühren zu kaufen. Buffett selbst hat testamentarisch genau diese Art von Investment für seine Frau verfügt, wenn er das Zeitliche segnet. Sein Privatdepot soll dann in einen Vanguard-Index-Fonds mit dem Kürzel VOO investiert werden.
Wer monatlich eine feste Rate in einen solchen Fonds investiert, betreibt einen übersichtlichen Aufwand, den jeder Laie zu leisten in der Lage ist. Er wettet auf den wachsenden Wohlstand der Menschheit, indem er einfach regelmäßig Anteile an der Weltwirtschaft erwirbt. Buffett hat das mit seiner Wette auf Amerikas Wirtschaft vorgemacht. Dafür braucht niemand einen "Investmentberater". Wenn die Märkte fallen, wird man mehr Fondsanteile erwerben. Steigen die Märkte, bekommt man weniger Fondsanteile. Wichtig ist, dass man jeden Monat die gleiche unscheinbare Summe investiert, damit man ruhig schläft. Inzwischen gibt es Sparpläne bei vielen Banken, Fondsgesellschaften und Brokern, die genau das ermöglichen.
Der Rest ist still sitzen, warten und den Zinseszins seine Arbeit verrichten lassen. Wie das Orakel aus Omaha sagt: "Es ist nicht nötig, außergewöhnliche Dinge zu tun, um außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen."
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