Investoren in aller Welt warten seit Mitte der 60er Jahre gespannt auf den letzten Samstag im Februar. Am Morgen dieses Tages wird auf der Seite von Berkshire Hathaway der jährliche Brief an die Aktionäre veröffentlicht. Das schmucklose Dokument, das ohne bunte Grafiken und Bilder daherkommt, genießt seit Jahrzehnten Kultstatus. Denn der Vorstandsvorsitzende Warren Buffett nutzt diese Plattform, nicht nur den aktuellen Geschäftsverlauf seiner Investment-Gesellschaft darzustellen. Regelmäßig bringt er den Lesern auch Lektionen über das langfristige Investieren bei.
Ungeachtet aller Turbulenzen, die das Jahr 2018 für Aktionäre bereithielt: Berkshire Hathaway verdiente wieder einmal prächtig. Vier Milliarden Dollar waren es im vergangenen Jahr. Darin enthalten sind 24,8 Milliarden Dollar an operativen Gewinnen, die die Beteiligungen von Berkshire abwarfen sowie 2,8 Milliarden an Kapitalgewinnen, die aus dem Verkauf von Investments resultierten. Geschmälert wurden die Ergebnisse durch einen Abschreibungsverlust von drei Milliarden Dollar auf die Beteiligung an Kraft Heinz sowie einen Verlust von 20,6 Milliarden Dollar, der durch die marktkonforme Bewertung der Investmentbeteiligungen entstand.
Buffett hatte schon im vergangenen Jahr davor gewarnt, dass Berkshire Hathaway auf Grund einer neuen Buchhaltungsregel zukünftig auf dem Papier weniger konsistente Gewinne ausweisen würde. Der Hintergrund: Zu jedem Quartalsstichtag muss das gesamte Portfolio an Aktienbeteiligungen mit dem Marktwert in die Bilanz gestellt werden - unabhängig davon, ob sich an der Substanz der Unternehmen oder ihrer operativen Tätigkeit etwas geändert hat. Das Aktienportfolio von Berkshire Hathaway ist inzwischen etwa 173 Milliarden Dollar schwer, der Wert schwankt täglich mit den Börsenkursen. Im vierten Quartal 2018, als die Volatilität an den Märkten zunahm, schwankte das Portfolio tageweise um mehr als vier Milliarden Dollar täglich. Die neue "Mark-to-Market"-Bewertung führte dazu, dass Berkshire Hathaway im ersten und vierten Quartal 2018 Verluste von 1,1 Milliarden und 25,4 Milliarden Dollar auswies, während es im zweiten und dritten Quartal Gewinne von 12 und 18,5 Milliarden Dollar waren. "In völligem Kontrast zu diesen Turbulenzen haben die vielen Unternehmen, die Berkshire gehören, konsistente und befriedigende operative Gewinne in allen Quartalen geliefert. Über das Jahr haben diese Gewinne ihr Hoch von 2016 von 17,6 Milliarden Dollar um 41% überstiegen."
Buffett vergleicht seine Investmentholding (er ist mit 19% immer noch größter Einzelaktionär) mit einem Wald, der aus fünf "Wäldchen" besteht. Gelegentlich gebe es einen Baum, der krank sei und wahrscheinlich in zehn Jahren nicht mehr dabei sein wird. "Viele andere hingegen sind dazu bestimmt, in Größe und Schönheit zu wachsen."
Wieder einmal unterstreicht Buffett seinen einfachen und seit Dekaden erprobten Grundsatz für die Kapitalallokation: "Gut geführte Unternehmen zu kaufen, ganz oder anteilig, die vorteilhafte und langfristige wirtschaftliche Charakteristika besitzen. Wir müssen diese Käufe außerdem zu vernünftigen Preisen tätigen."
Sofort verweist er auf eine der Sackgassen, in die sich Berkshire Hathaway auf Grund seiner Größe in den vergangenen Jahrzehnten hineinmanövriert hat. Mit einem Cash-Bestand von etwa 112 Milliarden Dollar sind er und sein Partner Charlie Munger permanent auf der Suche nach lohnenswerten Übernahmeobjekten. Jedoch hat das viele billige umlaufende Geld die Preise für Unternehmen in die Höhe getrieben, so dass die Suche nach einer "Elefanten-Übernahme" im vergangenen Jahr wieder einmal erfolglos war. Statt dessen setzte Buffett auf Investments über den Aktienmarkt. Es wurden über die Börse Beteiligungen von 43 Milliarden Dollar gekauft und für 19 Milliarden Dollar Beteiligungen abgestoßen. Mit anteiligen Beteiligungen zwischen fünf und zehn Prozent an börsennotierten Unternehmen ist Berkshire Hathaway in der jüngsten Vergangenheit besser gefahren als mit zu teuer bezahlten Käufen kompletter Firmen.
Neben dem operativen Geschäft ist der Brief an die Aktionäre aber vor allem für die versteckten Botschaften und Lektionen berühmt. Welche fallen in diesem Jahr auf?
Das Investmentportfolio von Berkshire ist weiterhin ein Paradebeispiel für die Entwicklung langfristiger Investitionen. Aus gut 102 Milliarden investierten Dollar sind inzwischen 172,7 Milliarden Dollar geworden. Hinzu kommen mehr als 325 Millionen Aktien von Kraft Heinz, für die Berkshire 9,8 Milliarden Dollar ausgegeben hat und die Ende Dezember 2018 mit einem Marktwert von 14 Milliarden Dollar in der Bilanz standen. Nach dem Kursrutsch der vergangenen Tage dürfte sich der Marktwert allerdings um etwa ein Drittel verringert haben. Die Beteiligung wird bei den direkten Investments nicht ausgewiesen, da es sich um eine Beteiligung im Rahmen einer Beteiligungsgruppe handelt.
Am 11. März werden es 77 Jahre, dass der damals elfjährige Warren Buffett seine Ersparnisse von fünf Jahren (114,75 Dollar) in drei Vorzugsaktien von Cities Service investierte. "Ich war ein Kapitalist geworden, und es fühlte sich gut an."
Die Welt schien im März 1942 am Abgrund zu stehen. Der zweite Weltkrieg war in vollem Gange, die USA litten unter dem Trauma von Pearl Harbor, das gerade drei Monate her war. Trotzdem waren, so Buffett, die Amerikaner voller Optimismus, und die Ergebnisse der Nachkriegsperiode waren atemberaubend. Hätte es damals schon passive Index-Fonds auf den S&P 500 gegeben, dann wären aus den 114,75 Dollar bis zum 31. Januar 2019 stolze 606.811 Dollar geworden - ein Gewinn von 5.288 zu eins. Eine Million Dollar, im März 1942 investiert, wären also zu 5,3 Milliarden geworden.
Und hier lässt Warren Buffett den obligatorischen Seitenhieb gegen die Wall Street nicht aus: "Hätte diese hypothetische Institution nur ein Prozent jährlich an verschiedene "Helfer" gezahlt", etwa Investment-Manager oder Berater, wäre dieser Gewinn um die Hälfte beschnitten worden, auf 2,65 Milliarden. Das ist es, was passiert, wenn man über einen Zeitraum von 77 Jahren die 11,8% jährliche Rendite, die der S&P 500 erreicht hat, mit einer Rate von 10,8% neu berechnet." Ängstliche Naturen, die das Geld nicht in den Aktienmarkt, sondern in 3 1/4 Unzen Gold investiert hätten (eine "sichere Anlage"), hätten aus ihren 114,75 Dollar im Laufe der 77 Jahre 4.200 Dollar gemacht, weniger als ein Prozent dessen, was ein simpler passiver Index-Fond eingebracht hätte.
Warren Buffett ist weise genug, für sich und seinen Partner Charlie Munger einzugestehen: Der immense Wohlstand, den die USA seit dem zweiten Weltkrieg erlebt haben, ist kein alleiniges Verdienst der Amerikaner, wer das behauptet, sei mehr als arrogant. "Die ordentlichen Reihen schlichter weiter Kreuze in der Normandie sollten alle diejenigen beschämen, die solche Behauptungen aufstellen."
Schließlich konstatiert Warren Buffett: Es gibt kein isoliertes Glück mehr nur für Amerika: "Es gibt auch viele andere Länder überall auf der Welt, die eine lichte Zukunft vor sich haben. Darüber sollten wir erfreut sein: Die Amerikaner werden sowohl weiter prosperieren, als auch sicherer leben, wenn alle Nationen Erfolg haben."
Den Unternehmergeist und unverwüstlichen Optimismus der Amerikaner bezeichnet er als den "Amerikanischen Rückenwind" und sieht darin die Hauptquelle für den Erfolg der kommenden 77 Jahre.
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Martin H (Mittwoch, 27 Februar 2019 07:31)
zu der Aussage, dass Buffett kein Freund von Aktienrückkäufen bei Höchstkursen ist, hat der Aktienfinder einen guten Artikel über Apples Aktienrückkäufe vor einigen Wochen veröffentlicht. Danach hat Apple viele Aktien auf einem sehr hohen Kursniveau zurückgekauft. Das Geld hätte m.E. sicherlich besser angelegt werden können um den sich langsam verringernden Burggraben wieder zu festigen. Statt dessen gibt man lieber das Geld für Kurskosmetik aus.
Titus (Donnerstag, 28 Februar 2019 19:03)
Danke für Deinen zeitnahen Post zu BLADEX, Nils! Obigen Artikel von Dir werde ich mir noch zu Gemüte führen. Bestens Titus
Titus (Donnerstag, 21 März 2019 19:18)
Sally Nils! Wieder ein fantastischer Clip von Dir, diesmal brandaktuell zu Bayer. Du hast die AG ausreichend gut durchleuchtet und die Sendedauer von vier Minuten ist auch angenehm konsumierbar - passt bestens. Titus